Rund 86 Prozent der Fläche des Landes Bremen sind aufgrund ihrer niedrigen Geländehöhe potenziell von Hochwasser gefährdet. Hochwasser stellen für Bremen eine stete Gefahr dar. Sie resultieren in den meisten Fällen aus Sturmfluten in der Nordsee, die das Weserwasser stromaufwärts drücken und einen zügigen Abfluss verhindern.
Die Stadtstrecke ist Teil der rund 80 km langen Küstenschutzanlagen Bremens und schützt über 115.000 Menschen und Eigentumswerte in der Neustadt vor den Gefahren aus Sturmfluten und Hochwasser.
Der übliche Tidewasserstand im Stadtbereich Bremens schwankt täglich zweimal um rund 4 m mit einem mittleren Tidehochwasser (MThW) von +2,55 m NHN. Diese Höhe entspricht bereits dem Fußboden des Souterrains eines Bremer Hauses in der Neustadt.
Eine Sturmflut ist definiert mit einem Wasserstand von 1,50 m bis 2,50 m über dem mittleren Tidehochwasser, also bei Wasserständen ab +4,05 m NHN. Dieser Wasserstand entspricht ungefähr der Höhe des Weges am Fuße des Ufers der Stadtstrecke – oder der Geländehöhe am Delmemarkt – und ist in den letzten 20 Jahren im Mittel fünfmal im Jahr eingetreten.
Zwischen 2,50 m bis 3,50 m handelt es sich um eine schwere Sturmflut. Eine sehr schwere Sturmflut ist definiert mit Wasserständen ab 3,50 m über dem mittleren Tidehochwasser, entsprechend Wasserständen ab +6,05 m NHN oder darüber – dann würde das Wasser am Delmemarkt rund 2 m hoch stehen.
Der Bemessungswasserstand – also der theoretische Wasserstand als Grundlage für die Planungsarbeit – liegt im Bereich der Stadtstrecke bei +7,85 m NHN an der Eisenbahnbrücke bzw. +7,95 m NHN im Bereich „Am Dammacker“. Damit ist bei vielen Bremer Häusern das Hochparterre erreicht.
Die Platzverhältnisse am linken Weserufer sind sehr beengt und erlauben daher nicht den Bau eines klassischen Erddeiches. Aus diesem Grund ist ein sogenanntes konstruktives Bauwerk aus Stahl und Beton erforderlich, wie es an vielen anderen Stellen in Bremen zu finden ist.
Die konstruktive Hochwasserschutzanlage soll dennoch offen, grün und barrierefrei gestaltet sein. Das eigentliche Bauwerk wird aus zwei gestaffelt angeordneten Hochwasserschutzwänden bestehen. Die Anordnung lässt dabei Raum für die notwendigen befestigten Wege, um den Deich in Stand zu halten und im Hochwasserfall schnell Zugang zu haben (Deichverteidigung). Diese Wege sollen gleichzeitig als Aufenthalts-, Rad- oder Fußwege fungieren.
Neben dem Schutz vor Hochwasser entsteht auch ein neuer Treffpunkt am Wasser, der zum Verweilen einlädt. Die entlang der Stadtstrecke verlaufenden Fuß- und Radwege werden verbreitert und deutlich voneinander abgegrenzt.
Grüne Ebenen und eine Allee entlang der Promenade, welche in den Beteiligungsprozessen (u. a. „Deichcharta“ von 2016, Realisierungswettbewerb 2017, Begleitgremium 2022) gefordert wurden, werden ebenfalls umgesetzt. Rampen und Wege verbinden die verschieden nutzbaren Terrassen mit Bewegungsräumen, Sitz- und Liegeflächen. Attraktive Aufenthaltsangebote bilden einen Gegenpol zur quirligen Schlachte.
Der Klimawandel wird nach Ansicht der Wissenschaft verschiedene Folgen haben, welche sich konkret auf die Planung der Stadtstrecke auswirken.
Aufgrund des prognostizierten Anstiegs des Meeresspiegels, wird die Höhe der Hochwasserschutzanlage (die „Bestickhöhe“) deutlich über allen bisher eingetretenen Hochwasserereignissen liegen: Bei +8,80 m NHN flussabwärts bzw.+8.70 m NHN flussaufwärts des Wehrs Kleine Weser.
Zusätzlich muss eine spätere Erhöhung um weitere 100 cm berücksichtigt werden. Diese wird noch nicht hergestellt, aber bereits bei der Planung berücksichtigt. Dies zeigt, dass hier nachhaltig geplant wird – falls eine weitere Erhöhung der Hochwasserschutzanlagen notwendig wird, ist dies dann ohne aufwändigen Neubau der Schutzanlage möglich.
Weitere Folgen des Klimawandels wie Temperaturanstieg, Veränderung des Niederschlagsverhaltens etc. werden ebenfalls bei der Planung berücksichtigt. So erfolgt z. B. die Auswahl der Baumarten für die Neupflanzung der Allee unter Berücksichtigung des Klimawandels.
Die Stadtstrecke wird im Rahmen der Umsetzung des Generalplan Küstenschutz ausgebaut. Es handelt sich daher um ein Ausbauprojekt, welches aus der sogenannten GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz) gefördert wird. Das heißt, 70 Prozent der Herstellungskosten werden vom Bund getragen. Das Land Bremen muss 30 Prozent aus dem Landeshaushalt beitragen.
Für die gleichzeitig vorgenommene städtebauliche und verkehrliche Aufwertung werden weitere Förderprogramme des Bundes ausgeschöpft.
Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern hatte und hat immer noch einen großen Stellenwert in der Planung. Die bisherige Öffentlichkeitsbeteiligung, z. B. in Form von Beiratsveranstaltungen, Informationsveranstaltungen, Vorträgen und Dialogformaten, hat viele Wünsche und Vorstellungen der Bevölkerung zur Ausgestaltung des Ufers hervorgebracht. Diese werden im größtmöglichen Umfang in der Planung berücksichtigt.
Bereits 2016 wurde im Rahmen eines von der Bundesregierung geförderten und prämierten Dialogprozesses eine sogenannte „Deichcharta (pdf, 2.6 MB)“ erstellt. In Konzeptwerkstätten und Deichspaziergängen wurden grundlegende Festlegungen u. a. zur Zonierung und zu den Aneignungsmöglichkeiten getroffen und dokumentiert.
Im Zuge der Planungskonkretisierung wurden seitdem weitere informelle und formelle Beteiligungsformate durchgeführt. Dazu gehörten 2022 ein Runder Tisch (insbesondere zur Diskussion um den Erhalt der Platanen) sowie Anfang 2023 Sitzungen eines Begleitgremiums unter den Titeln „Neues Grün“ und „Nutzung und Belebung“.
Weitere Formate, über die sich Bürgerinnen und Bürger einbringen können, werden derzeit geplant (Mitte 2023).
Auf der Projektwebsite finden Sie alle wichtigen Informationen zum Projekt. Diese aktualisieren wir regelmäßig. Bei Fragen können Sie uns zudem jederzeit eine E-Mail senden.
Direkt vor Ort finden Sie bereits heute Hinweise auf die Maßnahme: so wurde im Zuge des Aktionsprogramm Innenstadt eine attraktive Aufenthaltsmöglichkeit durch bewegliche Sitzmöbel geschaffen. Dieses finden Sie - mit Schautafeln, einem Deich-Schnitt-Modell und einer Schau-Pegelanlage – im Bereich der Kreuzung der Brautstraße / Am Deich. Platz an der Brautbrücke
Über wichtige Meilensteine im Projekt informieren wir zudem über Pressemeldungen und auf Social Media.
Der Ablauf der Planung ist ähnlich zu vergleichbaren Infrastrukturvorhaben:
Ja, für das Vorhaben ist nach den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes ein Planfeststellungsbeschluss notwendig. Dazu wird die Stabsstelle Deichbau Stadtstrecke bei der Oberen Wasserbehörde des Landes Bremen 2025 einen Planfeststellungsantrag einreichen.
Die genaue Bauzeit für die Umsetzung des Vorhabens steht derzeit (Stand Mitte 2023) noch nicht fest. Aufgrund der Besonderheiten des Projektraumes (z. B. Sicherstellung von Zufahrten für Anliegende etc.) und durch natürliche Einschränkungen der Bauzeit (z. B. muss in den Wintermonaten der Hochwasserschutz immer gewährleistet sein), ist eine sehr sorgfältige vorbereitende Bauablaufplanung erforderlich. Diese kann erstellt werden, wenn alle technischen Details konkretisiert sind.
Die Maßnahme wird in einzelne Bauabschnitte aufgeteilt werden, von denen nur ein Teil gleichzeitig bearbeitet wird. Vorläufig wird eine Bauzeit von ca. acht Jahren für das gesamte Bauvorhaben geschätzt, wobei der Bau eines einzelnen kürzeren Abschnitts nie länger als ca. drei Jahre dauern sollte.
Während des Bauvorhabens ist eine kontinuierliche Information der Bevölkerung und insbesondere der Anlieger und Anliegerinnen vorgesehen. Neben einer regelmäßig aktualisierten Webseite wird es im Baustellenbereich Informationen geben. Zu einzelnen Gelegenheiten beziehen wir die Betroffenen auch direkt über Postwurfsendungen oder persönliche Anliegerinformationen ein. Telefonische oder schriftliche Anfragen an die Projektleitung werden ebenfalls – genau wie jetzt auch schon - jederzeit möglich sein.
Fragen Sie uns: E-Mail
Wie bei allen vergleichbaren Infrastrukturmaßnahmen wird auch bei der Stadtstrecke der Eingriff in den Naturhaushalt analysiert, bewertet und dann Kompensations- bzw. Ersatzmaßnahmen geplant. Neben der Neupflanzung von rund 180 stadtökologisch hochwertigen Bäumen – alles insekten- und vogelfreundlich ausgewählte Arten – werden weitere Ersatzpflanzungen in der näheren und weiteren Umgebung vorgenommen. Hinzu kommen die Unterpflanzungen im Funktionsband und auf der Innenböschung: hier werden Gehölze vorgesehen, die die Biodiversität weiter steigern.
Sobald durch konkrete technische Planung der Eingriff des Vorhabens durch Umweltplanerinnen und -planer detailliert bewertet werden kann, wird zusammen mit dem Umweltbericht ein Landschaftspflegerischer Begleitplan erstellt, der die genannten Maßnahmen ausarbeitet. Nach jetziger Planung erfolgt dies im Herbst 2023 bis Frühjahr 2024 (Stand Mitte 2023).
Die Möglichkeiten des Erhalts der Baumreihe wurde von Fachexpertinnen und -experten unter verschiedenen Gesichtspunkten eingehend geprüft und ist aus mehreren Gründen – ausgehend von den beengten Platzverhältnissen – nicht möglich.
Das Profil der Kleinen Weser darf nicht verengt werden, um die Abflussverhältnisse bei Hochwasser nicht einzuschränken. Daher ist weder der Bau eines normalen Erddeiches noch der Bau einer Spundwand in größerem wasserseitigen und für die Bäume unschädlichen Abstand möglich.
Der Bau einer Hochwasserschutzwand wasserseitig vor den Platanen hat leider starke Auswirkungen auf den Baumbestand: Der Bau könnte nur nach einem radikalen Kronenrückschnitt der bis zu 19 Meter großen Kronen funktionieren. Des Weiteren müssen die Niveauunterschiede der alten Deichböschung und der neuen Oberkante aufgefüllt werden. Durch die Aufschüttung drohen die Wurzeln abzusterben und der Wurzelanlauf zu faulen. Die heute oberflächennahen Baumwurzeln können den Baum nicht mehr mit notwendigem Sauerstoff und Wasser versorgen. Diese Eingriffe würden die bereits krankheitsbedingt geschwächten Bäume größtenteils nicht überleben bzw. ihre Standfestigkeit einbüßen.
Die Möglichkeit des Einbaus einer Spund- oder Bohrpfahlwand auf der Landseite der Baumreihe wurde ebenfalls überprüft. Hier ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der wasserseitigen Lösung: Auch hier wären belastende Kronenrückschnitte erforderlich und ein schädigender Eingriff in das Wurzelwerk notwendig. Hinzu kommen Platzprobleme bei der baulichen Realisierung, da die notwendigen Baugeräte bereichsweise in den engen Straßen nicht arbeiten können und Schäden an den angrenzenden Gebäuden zu befürchten sind. Die verbleibende Böschung ist nicht standsicher und nicht zuletzt verbleibt abschließend das Risiko, dass die Bäume außendeichs im aufgeweichten Boden bei Hochwasser umstürzen und den Abfluss in der Kleinen Weser sowie der Weser behindern.
Bäume verschönern das Stadtbild, sie verbessern nachhaltig das Stadtklima durch Sauerstoffproduktion, Staubbindung und Schattenbildung und stellen Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten und Vögel dar. Rund 180 Bäume sollen daher nach Planungsstand Mitte 2023 direkt vor Ort gepflanzt werden. Die Baumartenauswahl ist in einem langen Abstimmungsprozess unter Beachtung von baumfachlichen, ökologischen, stadtklimatischen und gestalterischen Gesichtspunkten erfolgt. Insbesondere wurden die Wünsche der Bevölkerung und der Ortsteilpolitik nach Wiederherstellung der Großbaumkulisse berücksichtigt.
Zum Beispiel handelt es sich bei der Traubeneiche um eine heimische Baumart mit einem hohen Biodiversitätsindex, die Schmetterlingen und Faltern als Nahrungsquelle dient und gleichzeitig als Klimabaumart sehr trockenheitsverträglich ist. Die Silberlinde stammt aus angrenzenden Florenregionen, ist eine Bienenweide und verlängert mit der späteren Blüte das Nahrungsangebot.
Neben den Bäumen selber tragen auch die Unterpflanzungen des Funktionsbandes und der Innenböschung zu den positiven ökologischen Effekten bei.
Die Neupflanzung von rund 180 Bäumen vor Ort folgt den Vorgaben des „Bremer Handlungskonzepts Stadtbäume“ als Schlüsselmaßnahme der bremischen Klimaanpassungsstrategie.
Die Auswahl beinhaltet für den Stadtraum geeignete und gleichzeitig an Klimaveränderungen angepasste Baumarten. Bremische Erfahrungen fließen ebenso ein wie bundesweite Erkenntnisse und Regelwerke. Wir realisieren zum Beispiel besonders große, aber auch überbaubare Baumgruben und planen diese sehr sorgfältig, um den neuen Bäumen optimale Standortbedingungen zu geben.
Mit den vier ausgewählten Großbaumarten kommen wir der heutzutage so wichtigen Artenmischung nach, so dass die Anfälligkeit in Bezug auf Krankheiten und Schädlinge verringert wird. Gleichzeitig schaffen wir mit diesen tollen Bäumen, einen interessanten Gestaltungsmix, der durch unterschiedliche Kronenformen, Ast- und Laubdichte mit Licht und Schatten spielt und verschiedene Aufenthaltsqualitäten bietet. Die Herbstfärbung bietet in der dunklen Jahreszeit weitere gestalterische Highlights. Die schillernde Unterseite der Silberlinde reflektiert das Licht und spendet durch die dichte, gleichmäßige Krone Schatten bei starker Sonneneinstrahlung, während die Zerreiche durch die unregelmäßige Krone und die interessante Laubstruktur einen Gegenpol setzt.
Die ausgewählten Baumarten kommen gut mit Hitze und Trockenheit zurecht, sind windverträglich, standorttolerant und haben ein tiefgehendes Wurzelwerk - gute Voraussetzungen für die Stadtstrecke.